Dr. Lukas R.A. Wilde (Associate Professor Department of Art and Media Studies der NTNU Norwegian University of Science and Technology, Trondheim): „Demon Slayer im Media Mix: Non-narrative Dimensionen japanischer Franchises“

Demon Slayer (Kimetsu no Yaiba) ist eines der kommerziell erfolgreichsten Franchises aller Zeiten. Die Popularität der Serie ließ sich anhand ihrer ursprünglichen Manga-Veröffentlichung jedoch kaum vorhersagen: Sowohl die fortlaufenden Folgen in der Zeitschrift Weekly Shônen Jump (seit 2015) als auch die spätere Wiederveröffentlichung (seit 2016) in dreiundzwanzig tankôbon-Bänden waren nur mäßig erfolgreich. Die 26 Episoden der ersten, von Ufotable produzierten Fernsehstaffel erfreuten sich jedoch solcher Beliebtheit, dass der nachfolgende Handlungsbogen in den Kinofilm Infinity Train (Mugen ressha, 2020) übersetzt wurde, der in Japan und Taiwan innerhalb kürzester Zeit zum umsatzstärksten Film aller Zeiten avancierte. Das Franchise ist damit insgesamt doch geradezu prototypisch für den japanischen Media Mix (transmedia storytelling). Der Vortrag möchte daher unterschiedliche Dimensionen seiner Faszination untersuchen, die nicht in der tatsächlichen Erzählung aufgehen. Umgekehrt gesprochen, lässt sich an Demon Slayer nämlich besonders gut herausarbeiten, welche „non-narrativen“ Dimensionen des japanischen Media Mix-Modells in den vergangenen zwei Jahrzehnten besonderes Interesse der japanologisch-geschulten Medientheorie erfahren haben.

Dazu werden vier relevante Oppositionen vorgestellt, die sehr unterschiedlichen Diskursen zu Manga, Anime und Videospielen entspringen: „Naturalistische Konsequenzhaftigkeit vs. Cartoonisierte Fantastik“, „Repräsentationeller Realismus vs. Ludischer Realismus“, „Narrativer Konsum vs. Datenbank-Konsum“ sowie „Autorisierte Werke vs. Sekundärproduktionen“. Weitere Aspekte des „non-narrativen“ japanischen Mediengebrauchs finden sich zudem in den „2,5D-Kulturen“ der Interaktion mit fiktiven Wesen im realen Raum oder in ihrem Einsatz als Maskottchen oder "Arbeitsfiguren" (hataraku kyara) ohne narrative Einbettung. Was all diese sehr unterschiedlichen Auffassungen der "anderen Seiten des Erzählens" verbindet, ist ein gemeinsames Interesse an Figuren nicht als Teile geschlossener, fiktionaler Geschichten oder Welten, sondern als Knotenpunkte historisch wandelbarer Medienpraktiken und konventionalisierter Formen der Imagination und Partizipation.

Dr. Lukas R.A. Wilde ist Associate Professor am Department of Art and Media Studies der NTNU Norwegian University of Science and Technology in Trondheim. Seine Dissertation, veröffentlicht als Im Reich der Figuren (Halem Verlag), untersuchte die japanische ‚Mangaisierung‘ öffentlicher Räume und die Implementierung von transmedialen ‚Figuren‘ (kyara) in funktionaler Kommunikation und wurde mit dem Roland-Faelske-Preis für die beste Dissertation im Bereich der Comic- und Animationsforschung 2018 sowie dem GIB Dissertations-Wissenschaftspreis 2021 der Gesellschaft für interdisziplinäre Bildwissenschaft ausgezeichnet. Sein Aufsatz „Material Conditions and Semiotic Affordances: Natsume Fusanosuke’s Many Fascinations with the Lines of Manga“ wurde 2021 mit einer Lobenden Erwähnung für den Martin Schüwer-Puplikationspreis für herausragende Comicforschung prämiert. Er ist zweiter Vorstand der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) und einer der Organisator*innen und Gründer*innen der Digital Artist Initiative Comic Solidarity und Mitinitiator des GINCO-Awards (der Inklusive Deutsche Comicpreis der Independent-Szene).

Im Anschluss an den Vortrag wird es in der Japanologie einen kleinen Umtrunk geben.

Datum: 11. Mai 2023, 18 Uhr c.t.
Ort: Seminarhaus (SH), Raum 2.109